Berufsunfähigkeitsversicherung

    1. Was ist die Berufsunfähigkeitsversicherung

    Die Berufsunfähigkeitsversicherung soll das Risiko des Versicherten abdecken, infolge einer krankheitsbedingten Berufsunfähigkeit wirtschaftlichen Schaden zu erleiden.

    Das Risiko einer ernsthaften Erkrankung und einer damit einhergehenden Unfähigkeit im bisher ausgeübten Beruf weiterhin arbeiten zu können stellt eines der elementaren Risiken für jeden Arbeitnehmer und Selbstständigen dar.

    In Anbetracht der Tatsache, dass die gesetzlichen Rentenversicherungen durch neue Regelungen im Hinblick auf Berufsunfähigkeitsrente und Erwerbsminderungsrente regelmäßig keine oder nur deutlich weniger Rentenleistungen erbringen, ist eine private Vorsorge als ausgesprochen sinnvoll, wenn nicht zwingend anzusehen.

    Dieses Risiko kann durch eine selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung oder durch eine Zusatzversicherung zum Lebensversicherungsvertrag (Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) abgedeckt werden. Das Versicherungsunternehmen ist nach dem Vertrag bei Eintritt der Berufsunfähigkeit dann zur Zahlung einer vorher festgelegten monatlichen Rente verpflichtet, darüber hinaus ist regelmäßig eine Beitragsbefreiung für die Berufsunfähigkeitsversicherung und möglicherweise auch die Lebensversicherung vereinbart.

    Die von den Versicherungsunternehmen verwendeten Versicherungsbedingungen weichen teilweise nicht unerheblich voneinander ab. Regelmäßig besteht eine Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens dann, wenn der Versicherte während der Dauer der Versicherung zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig wird. Die Berufsunfähigkeit wiederum liegt vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall voraussichtliche dauerhaft außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Alternativ ist Berufsunfähigkeit auch dann anzunehmen, wenn der Versicherte sechs Monate lang ununterbrochen wegen Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall vollständig oder teilweise außer Stande war seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht und dieser Zustand fortdauert.

    Dies bedeutet vereinfacht, eine Leistung erfolgt, wenn der Versicherte auf Grund gesundheitlicher Probleme jetzt und in Zukunft nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit zu mehr als 50 Prozent durchzuführen oder er wegen gesundheitlicher Probleme mindestens sechs Monate arbeitsunfähig war und bleibt. Darüber hinaus stellt sich dann die Frage, ob der Versicherte auf einen anderen Beruf oder eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann, hierzu später mehr.

     

    2. Die beliebtesten Ablehnungsgründe

    Die Versicherungsunternehmen lehnen eine eigene Leistung in der Praxis ausgesprochen häufig auf Grund drei unterschiedlicher Themenkreise ab.


    A. Verletzung der Anzeigeobliegenheit

    Sobald der Versicherte bei seinem Versicherungsunternehmen einen Leistungsantrag stellt, wird das Versicherungsunternehmen exakt überprüfen, ob der Versicherte in dem damaligen Versicherungsantrag alle auf seine Gesundheit bezogenen Fragen zutreffend beantwortet hat. Hierbei zieht das Versicherungsunternehmen Erkundigungen bei den behandelnden Ärzten und bei den privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen sowie evtl. auch bei den Rentenversicherungsträgern ein. Hierdurch entsteht für das Versicherungsunternehmen ein umfassendes Bild über den Gesundheitszustand des Versicherten bei Antragstellung.

    Sollte das Versicherungsunternehmen den Eindruck gewinnen, der Versicherte habe bei der Antragstellung auch nur eine Kleinigkeit nicht angegeben, wird es behaupten, der Versicherte habe seine Aufklärungsobliegenheiten verletzt. Anschließend wird es den Rücktritt vom Versicherungsvertrag erklären und möglicherweise auch den Vertrag anfechten. Es handelt sich hier um eine von den Versicherungsunternehmen viel geübte Praxis, die Versicherte regelmäßig abschreckt und in vielen Fällen dazu führt, dass die Versicherten die ihnen zustehenden Leistungen nicht weiter einfordern.

    Grundsätzlich ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alle im Versicherungsantrag gestellten Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß zu beantworten, §§ 16, 17 VVG.

    Dies bedeutet jedoch nicht, dass automatisch jede Abweichung der schriftlichen Antwort im Versicherungsantrag von der Realität dem Versicherungsunternehmen auch das Recht gibt, die Leistung zu verweigern.

    Insbesondere ist immer zu berücksichtigen, ob ein Versicherungsagent dem Versicherten die Fragen überhaupt gestellt hat und ob alle die Antworten, die der Versicherte gegeben hat, auch im Antrag aufgenommen sind.

    Ferner spielt regelmäßig eine besondere Rolle, wie die Fragen im Versicherungsantrag formuliert wurden und in welcher Form die Antworten hierauf gegeben sind. In der Vergangenheit hat es immer wieder gerichtliche Entscheidungen gegeben, in denen festgestellt wurde, das Versicherungsunternehmen die Fragen in einer Form gestellt haben, die eine vernünftige Beantwortung nicht erwarten ließen. Da die Versicherungsunternehmen im Hinblick auf die Gestaltung ihrer Anträge eigenverantwortlich handeln finden sich bei verschiedenen Unternehmen unterschiedliche Antragsformulare. Ferner finden sich ausgesprochen unterschiedliche Formulierungen im Hinblick auf die gewünschten Angaben.

    Von besonderer Bedeutung ist regelmäßig auch, ob der Versicherte erkennbar unvollständige Angaben gemacht hat. Sofern dies der Fall ist, kann dem Versicherungsunternehmen in einigen Fällen vorgehalten werden, dass sie trotz erkennbarer Unrichtigkeit nicht zur Aufklärung beigetragen haben, sondern ihre eigenen Nachfrageobliegenheiten verletzt haben. Der Rücktritt und die Anfechtung sind dann ausgeschlossen.

    In all diesen Fällen verbietet sich eine schematische Darstellung. Es ist erforderlich in jedem Einzelfall exakt zu überprüfen, welche Angaben auf welche Fragen exakt gegeben wurden.

    Sollte die Anzeigeobliegenheit verletzt worden sein, stellt sich häufig genug die Frage, ob die Versicherungsunternehmen den Rücktritt oder die Anfechtung innerhalb der vorgesehenen Fristen ausgesprochen haben. Sollte dies nicht der Fall sein, verlieren der Rücktritt oder die Anfechtung jede Wirkung.

    In Anbetracht der Erfahrungen aus der Praxis kann jedem Versicherten nur geraten werden, die Fragen zu seiner gesundheitlichen Situation umfassend und richtig zu beantworten. Der Antragsteller sollte hierbei auch nicht auf beschönigende Formulierungen des Versicherungsagenten vertrauen, sofern er diese Formulierungen nicht später auch beweisen kann.

    Die Versicherungsunternehmen haben regelmäßig kein ernsthaftes Interesse daran, schon bei Antragstellung selbstständig den Gesundheitszustand des Antragstellers zu erforschen. Für die Versicherungsunternehmen ist es sehr viel angenehmer, mit dem Kunden einen Versicherungsvertrag abzuschließen und die exakten Nachforschung erst im Leistungsfall durchzuführen. Stellt sich dann heraus, dass die Angaben im Versicherungsantrag bewusst unrichtig waren, wird der Versicherte nie Leistungen aus dem Versicherungsvertrag erhalten, das Versicherungsunternehmen muss die bezahlten Prämien jedoch nicht erstatten.


    B. Kein Vorliegen der Berufsunfähigkeit

    Beansprucht der Versicherte Leistungen aus seinem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag, muss er nachweisen, dass er auf Grund gesundheitlicher Umstände zu mindestens 50 Prozent nicht mehr in der Lage ist seine bisher ausgeübte Tätigkeit durchzuführen.

    Es ist hierfür von erheblicher Bedeutung, den bisher ausgeübten Beruf im Hinblick auf seine einzelnen Tätigkeiten darzustellen. Der Beruf des Heizungs- und Sanitärinstallateurs beispielsweise besteht zum einen aus der Fahrt zur Baustelle, dem Be- und Entladen von Fahrzeugen, dem Tragen von Material und Werkzeug, zum anderen um Montagetätigkeiten, die stehend, liegend, auf Leitern oder Gerüsten sowie teilweise in Zwangshaltungen durchgeführt werden müssen. Es ist darüber hinaus festzulegen, mit welcher Arbeit regelmäßig wie viel Zeit verbracht wird.

    Das Versicherungsunternehmen wird die Angaben im Leistungsantrag mit den Gesundheitsangaben abgleichen und selbst überprüfen, ob der Versicherte in zeitlicher Hinsicht wirklich mindestens 50 Prozent der Arbeit nicht mehr erledigen kann. Sollte das Versicherungsunternehmen auch nur den Hauch eines Zweifels haben, wird es medizinische Sachverständige beauftragen, die häufig zu dem Ergebnis kommen, dass eine Berufsunfähigkeit nicht vorliegt.

    Die korrekte Angabe der einzelnen Teile der Arbeit und die zutreffende Bemessung der mit einzelnen Teilen verbrachten Arbeitszeit ist deshalb die Basis jedes erfolgversprechenden Leistungsantrages.

    Darüber hinaus sollten die vom Versicherungsunternehmen eingeholten medizinischen Gutachten mit der notwendigen kritischen Distanz betrachtet werden. Wie andere Gutachten auch stellen diese lediglich die Meinung eines Sachverständigen dar und sind für ein gerichtliches Verfahren in keiner Form bindend. Es ist hier erforderlich, sich im Einzelnen mit dem Gutachten auseinander zu setzen und insbesondere den Sachverstand des behandelnden Arztes mit einzubeziehen. Häufig ergeben sich hieraus Ansatzpunkte, die anschließend zu einer Leistung des Versicherungsunternehmens führen.


    C. Verweisung auf andere Berufe

    Wie bereits oben kurz dargestellt sehen die von den meisten Versicherungsunternehmen vorgesehenen Versicherungsbedingungen vor, dass der Versicherte zum einen seinen bisher ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben kann und zum anderen auch keine andere Tätigkeit existiert, die er auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrungen ausüben könnte und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

    Diese Formulierungen wird üblicherweise unter dem Begriff der abstrakten Verweisung verstanden. Andere Versicherungsunternehmen beschränken sich darauf, den Versicherten nicht abstrakt auf eine bestimmte Tätigkeit zu verweisen, sondern verneinen ihre Leistungspflicht nur dann, wenn der Versicherte eine Tätigkeit bereits ausübt (konkrete Verweisung). Jeder Versicherte sollten darauf achten, dass er ausschließlich einen Vertrag abschließt, indem die abstrakte Verweisung ausgeschlossen ist.

    Im Rahmen der abstrakten Verweisung bleibt den Versicherungsunternehmen die Möglichkeit, dem Versicherten einen anderen Beruf zu benennen, der auch mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen von ihm durchgeführt werden kann. Dieser Beruf muss auf Grund der Ausbildung und den Erfahrungen des Versicherten durchgeführt werden können und der bisherigen Lebensstellung entsprechen.

    Wie sich bereits anhand der sehr unbestimmten Begriffe erahnen lässt, gibt es unzähligen Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen eine Verweisung von den Gerichten akzeptiert oder verworfen wurde.

    Im Rahmen der Ausbildung und Erfahrungen dürfen weder deutlich geringere noch deutlich höhere Kenntnisse und Erfahrungen verlangt werden, als dies im ausgeübten Beruf der Fall ist. Keinesfalls kann eine Verweisung nur innerhalb der Sparte stattfinden, in der der Versicherte bisher tätig ist. So ist beispielsweise die Verweisung einer Serviererin in einem Landgasthof auf eine Tätigkeit bei der Telefonauskunft für zulässig gehalten worden.

    Gerade im Hinblick auf die Kenntnisse des Versicherten muss darauf geachtet werden, dass diese auch verloren gehen können, sofern sie einige Zeit nicht in Anspruch genommen wurden.

    Grundsätzlich dürfte eine Verweisung eines Akademikers auf einen nicht akademischen Beruf oder die Verweisung eines Facharbeiters auf eine Hilfstätigkeit nicht möglich sein. Je geringer aber die Qualifikation des Versicherten in dem ausgeübten Beruf ist, um so eher wird sich eine Verweisung darstellen lassen.

    Ein weiteres Kriterium für die zulässige Verweisung ist die Frage, ob der neue Beruf der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht . Mit diesem Schlagwort sind zum einen die Verdienstmöglichkeiten, zum anderen aber auch das Ansehen des jeweiligen Berufsstandes, die sozialen Sicherung des Berufes und seine gesellschaftliche Bedeutung gemeint. Aus der Rechtsprechung gibt es darüber hinaus eine Vielzahl von Kriterien, die im Hinblick auf die soziale Vergleichbarkeit verschiedener Berufe entwickelt wurden.

    Sollte ein Versicherungsunternehmen von der Verweisung Gebrauch machen, muss der Versicherte im Hinblick auf den bisher ausgeübten Beruf und im Hinblick auf den Verweisungsberuf sehr genau darlegen, dass eine soziale Vergleichbarkeit nicht gegeben ist. Hierfür ist es erforderlich, sich anhand der oben genannten Kriterien ein genaues Bild von beiden Berufen zu machen. In Anbetracht der Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen zu diesem Thema ist eine intensive und auf den Einzelfall abgestellte Betrachtung zwingend erforderlich. Eine schematische Darstellung ist kaum möglich.

    Wie bereits oben ausgeführt soll die Berufsunfähigkeitsversicherung ein elementares Risiko für Arbeitnehmer und Selbstständige abdecken. Es ist dementsprechend von größter Wichtigkeit, dass im Umgang mit dieser Versicherung keine Fehler geschehen, die dazu führen, dass das Versicherungsunternehmen mit Erfolg die Zahlung verweigern kann. Jeder Versicherte sollte sich vor Augen führen, dass ein Versicherungsunternehmen bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen erhebliche Summen an ihren Versicherungsnehmer auszahlen muss. Beispielsweise muss das Versicherungsunternehmen bei einer vereinbarten monatlichen Rente von 800 €, einer Versicherungsdauer bis zum 65. Lebensjahr des Versicherten und einem Alter von 35 Jahren bei Eintritt der Berufsunfähigkeit im Laufe der Jahre eine Summe von insgesamt 288.000 € zahlen. Es dürfte selbstverständlich sein, dass jedes Versicherungsunternehmen die eigene Leistungspflicht sehr genau überprüft und möglicherweise kritisch betrachtet, sofern es um derartige Summen geht. Umso wichtiger ist es, sich mit einer ablehnenden Entscheidung des Versicherungsunternehmens nicht ohne weiteres zufrieden zugeben, sondern sich hiermit ausführlich auseinander zu setzen, um die Rechte des Versicherten wahren zu können.

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